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Überlebende
berichten
Persönlicher Bericht an die Bezirkskommandantur, von Welat Yilmaz (Abuzer Arslanogu) vom 10.11.1998 Am 20.10.1998 bekamen wir Informationen darüber, daß in Fara<în eine Operation (der türkischen Armee) stattfinden sollte. Als kleine Gruppe machten wir uns an unsere Aufgabe (...). Am 21. erreichten wir die (anderen) FreundInnen. Wir hatten zuvor lediglich die Information bekommen, daß die Operation in Fara<in stattfinden solle. Die Kommandantur (wörtlich: Leitung) hatte Vorbereitungen für eine Aktion getroffen. Für die Aktion fanden wir uns in der Ebene von Taxteres am Konferenzpunkt ein. Am frühen Morgen des 22. strömten Soldaten über die Anhöhen von Taxtere<. Die Informationen, die wir erhalten hatten, waren eine Täuschung. Eigentlich war der Schwerpunkt der Operation auf das Gebiet Beytü<<ebap angelegt gewesen. So gut wie jede Anhöhe von Beytü<<ebap war voll mit Soldaten. Mehr als zehntausend (10.000) Soldaten waren an der Operation beteiligt. Seit 10 Uhr morgens
sammelten sich die Soldaten an (ihren) Punkten. Kobra-Helikopter machten
Erkundungsflüge. In unserer Nähe hatte sich die Logistik-Gruppe
versteckt. Die Kobras machten die Maulesel (Lasttiere) ausfindig und töteten
sie alle. Einige Lasttiere, die (vom Helikopter aus) nicht getötet
werden konnten, wurden dann von den Soldaten getötet. Die Logistik-Gruppe
kam aus der Nähe und schloß sich unserer Einheit an. Sie waren
16 Leute. Nach drei Uhr hat sich eine Einheit von Spezialeinheiten und
Soldaten an einem Punkt aufgebaut. Auf Befehl von Genossin Agirî
haben wir uns in der Umgebung verteilt und uns in drei Gruppen aufgeteilt.
Außerdem standen einige von uns auf Aussichtsposten. Sofort stiegen drei unserer Kundschafter von hinten auf die Anhöhe über uns. Notgedrungenerweise beschlossen wir, uns zwischen den Felsbrocken auf einer rund 40 qm großen Fläche zu verstecken. Nach acht Uhr waren die Kundschafter entdeckt worden, und als der Feind das Feuer eröffnete, liefen die FreundInnen davon. Wir hörten mit Heval Agirî über Funk, daß der Gruppenanführer Heval Botan im Dauerfeuer des Feindes verwundet gefaßt wurde. Obwohl Botan dem Feind falsche Angaben gemacht hatte, hat der Feind sich die gesamte Gegend vorgenommen und sich auf den Punkt konzentriert, an dem wir versteckt waren. Er hat dort Freund Botan umgebracht. Nach 11 Uhr ist der Feind dann auf uns losgegangen. Er hat die ganze Umgebung um uns herum abgebrannt. Wir schossen auf den Feind, der sich von allen Seiten näherte und haben mehr als 10 (Zahl nicht genau lesbar) Soldaten getötet. Im Gefecht starben zuerst die FreundInnen Xo<nav und Agirî. Der Feind konnte nicht an uns herankommen. Daraufhin haben die feindlichen Kräfte auf der Ebene Kobra-Helikopter herbeigerufen, die auch kamen. Gegen die Helikopter konnten uns die Felsen natürlich nicht schützen. 16 FreundInnen verkrochen sich unter den Felsen in einer Art Höhle. Zuvor waren sieben FreundInnen unter den Felsen gewesen. Sie kamen unter dem Beschuß der Kobras um. Wir waren zu dem Zeitpunkt draußen. Danach wandten sich die Kobras gegen uns und die FreundInnen fielen eine/r nach der/m anderen unter dem Beschuß. Da wir draußen keine Positionen mehr hatten, um uns zu verteidigen, zogen wir uns in einen Tunnel zurück. Auch die Verwundeten zogen sich in den Tunnel zurück. Draußen waren noch sieben FreundInnen am Leben. Von draußen rief uns der Feind dazu auf, aus den Felsen hervorzukommen und uns zu ergeben. Als der Feind auf die Stelle, an der wir uns befanden, Gasbomben warf, kamen Agît, Sozdar und Xelat hervor und ergaben sich. Außer 10 GenossInnen, die aus dem Tunnel hervorkamen und sich ergaben, ergaben sich auch Cahide und Candan, denen draußen die Munition ausgegangen war. Die meisten der anderen, die sich ergaben, waren verwundet. Zwischen ihnen ging auch Freundin Ronahî nach draußen, die leicht verwundet war. Die VeräterInnen Dirok, Ferhan und Fitret, die schon seit langer Zeit im Namen des Feindes für die Kontras arbeiten, wiederholten ihre Aufrufe, sich zu ergeben. Dabei machten sie verschiedene Versprechungen. Als Genossin Ronahî nach draußen trat, waren die ersten Worte, die aus dem Munde des Militärkommandanten kamen, in verhöhnender und erniedrigender Weise: Hier ist eine blonde Hure. Danach sagte er: sagt uns welche Staatsangehörigkeit diese Hure hat. Genossin Ronahî begann zu sprechen: Ich bin eine Internationalistin und Sozialistin. Weil ich dies (diese Werte) bei der PKK gefunden habe, bin ich hier. Ich bin eine deutsche Staatsbürgerin, die die PKK vertritt. Im Gegenzug fuhr der Kommandant der türkischen Militäreinheit fort, äußerst schmutzig und verhöhnend zu sprechen: In Deutschland gibt es viele Huren. Du bist auch eine von ihnen. Du bist eine Hure schrie er und fügte noch häßlichere Worte an. Der Kommandant sagte alles, was ihm vor lauter Aufregung in den Sinn kam. Auch Genossin Ronahî hob daraufhin ihre Stimme und schrie: Ihr seid alle Tiere! Kurz darauf kamen die Geräusche von Maschinengewehrfeuer, und danach habe ich die Stimme von Heval Ronahî nicht mehr vernommen. Ich konnte alles, was draußen vorging gut hören, weil ich in der Nähe des Tunnelausgangs war. Es war Abend geworden. Jene Nacht verbrachten wir in der Höhle. Bis es Nacht wurde, wiederholte die Kontra-Verräterin Dirok ihre Aufrufe, uns zu ergeben. Außerdem haben sie zehn Handgranaten in den Tunnel geworfen. Da unser Platz gut ausgewählt war, verfehlten diese aber ihre Wirkung. Bis zum Morgengrauen hielten Soldaten über uns Wache. Gegen 10 Uhr vernahmen wir dann Helikoptergeräusche. Die Stimmen eines hochrangigen Armeekommandanten und von Journalisten drangen von draußen an mein Ohr. Die Journalisten machten Fotos und interviewten den Militärkommandanten. Er sagte: die Kadaver, die Sie hier sehen, sind alle wie Tiere verreckt. Nach dem Interview hörte ich, wie sich die Helikopter entfernten.
Danach warfen sie nochmal drei oder vier Handgranaten in den Tunnel. Der Feind zog langsam von über uns ab. Als ich nach draußen trat, war es eine Stunde vor Sonnenuntergang. Die Leichname der FreundInnen waren zerfetzt, als hätten Tiere sie angegriffen. Die Leiche von Heval Kamuran war vom Feind verbrannt worden. Heval Agirî hatten sie den Kopf abgerissen. Die Leiche von Heval Ronahî in rund zehn Meter Entfernung war vollkommen nackt und sie hatten die Brüste abgeschnitten. Sie hatten Kugeln in ihren Kopf und in ihr Geschlechtsteil geschossen. Ich hörte die Stimme eines verwundeten Freundes. Als ich mich näherte bemerkte ich, daß es Diyar war, der überlebt hatte. Er war unter den Leichen der gefallenen FreundInnen begraben. Ich zog ihn hervor. Ich teilte die Lage den anderen überlebenden FreundInnen mit. Sie waren immer noch im Tunnel. Sie sagten, wir müßten schnellstens von dort verschwinden, da die Operation noch andauerte. Nachdem wir Heval Diyar dort an einem Ort versteckt hatten, entfernten wir vier unversehrten GenossInnen uns von dort. Die Operation dauerte noch zwei Tage an. Am dritten Tag erreichten wir die FreundInnen. Ich blieb eine gewisse Zeit unter dem Einfluß der Grausamkeiten, die der Feind den Leichnamen unserer FreundInnen angetan hatte. Mit revolutionären Grüßen und Respekt, Welat Yilmaz Zusammenfassung des Berichts von Heval Xursît (Selahattin Elçiçek) vom 5.11.1998: ....Nach einiger Zeit
sprang ein neuer Kämpfer namens Agît aus der Höhle und
ergab sich. Der Feind sorgte sofort dafür, daß er die Anwesenheit
der Guerillas in der Höhle verriet. Nach vielen Appellen, unter anderem
auch von einigen kurdischen Kollaborateuren in kurdischer Sprache, ergaben
sich einige Frauen und Männer dem Feind. Dann riefen die, die sich
ergeben hatten, den Guerillas in der Höhle auch mit Namen zu, sich
ebenfalls zu ergeben. Daraufhin ergab sich auch Ronahî Zusammenfassung des Berichts von Zeynep Firat (Nubihar Xanu Cuma) vom 6.11.1998: Die GuerillakämpferInnen wurden durch massive Kobraangriffe in die Höhle zurückgedrängt. Als der Feind feststellte, daß sie keine Munition mehr hatten, rief er dazu auf, daß sie sich ergeben sollten. Zeynep war mit noch drei anderen FreundInnen in der Höhle. In diesem Durcheinander war Heval Ronahî auch ahnungslos aus ihrem Versteck hinaus gegangen.
...Nachdem Ronahî gefangen genommen worden war, sagte sie, daß sie Sozialistin sei und hier sei, weil sie für die Rechte der Menschen kämpfe. Danach war eine Maschinengewehrsalve zu hören und Ronahî wurde dadurch getötet. Der Feind hatte nicht bemerkt, daß Heval Diyar noch lebte. Bis zum nächsten Tag befand sich Diyar, verletzt, zwischen den Leichen seiner FreundInnen. Danach kamen die GenossInnen und holten ihn heraus. Heval = Freund oder Freundin
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machwerk, frankfurt (2000)