Aichach,
17.11.81
Brief von Andrea an Tom
Ich
bin zur Zeit im Arrest, Einzelhofgang, nicht arbeiten, keine Gemeinschaftsveranstaltungen,
usw. Wie es dazu kam will ich dir kurz erzählen. Als am Freitag die
eine Stunde offene Zellen mal wieder viel zu schnell verging, beschlossen
wir, nicht in unsere Zellen zu gehen. Wir saßen also zu zehnt im
Kreis auf´m Gang und gackerten uns einen ab, ignorierten die Wachtel,
die ratlos da stand und nicht wußte was tun. Wir forderten für
alle Gänge offenes Essen (von den vier Gängen der Jugendabteilung
haben nur zwei offenes Essen) eine Stunde mehr offene Zellen, nicht so
strenge Briefzensur durch die Anstaltsleitung, zweimal in der Woche duschen,...auf
jeden Fall steigerte sich die Stimmung unweigerlich, wir schrien, macht
kaputt was euch kaputt macht, hauten mit Holzschuhen gegen Eisengitter
und die anderen Gänge, stiegen mit, hauen gegen die Tür ein.
Wir wollten ein Gespräch mit den Direktoren. Dann kamen männliche
Wachteln, beförderten uns mit Gewalt und blauen Flecken in die Zellen.
Wir schrien weiter. Ich und zwei andere Frauen kamen in den Bunker. Wir
machten gegen diese ungerechte Behandlung zwei Tage Hunger- und Durststreik.
Dann, unter der Bedingung den Hungerstreik abzubrechen und mit dem Hinweis,
daß das ganze Meuterei gewesen sei, und darauf eine Strafe bis zu
vier Jahren stehe, wurden wir in die Arrestzellen gesteckt. Da sitz ich
nun also seit neun Tagen.
Daß Aichach eine Mastanstalt ist, wußte ich ja mittlerweile
schon, aber daß man hier dermaßen verblödet, hätte
ich nicht gedacht. Ich hock stundenlang einfach nur da und führe
Selbstgespräche. Wenn ich rauskomm, bin ich wahrscheinlich ein kleiner
Gollum.
Erinnerung
(II)
Als
Andrea raus kam, hatte ich mit ihr nicht viel zu tun. Ich betreute
damals den Kleinsten aus der Freizeit 81, den Reinhard E. ... Und
deshalb hatte ich auch Kontakt zur Angehörigengruppe und da
habe ich die Lilo kennengelernt, das war mein erster Kontakt zur
Familie Wolf.
Was ich damals mitgekriegt habe, was für mich damals sehr bestürzend
war, daß die Lilo ihre Kinder nicht besuchen durfte, weil
die Behörden gesagt haben, sie stecke mit ihren Kindern unter
einer Decke. Das war etwas, was ich völlig unverständlich
fand.
Der andere Hintergrund war, daß ich damals bei der linksradikalen
Stadtzeitung "Blatt" war, hatte aber mit den Zusammenhängen
mit denen Andrea zu tun hatte ein gespaltenes Verhältnis, die
Punks waren auf die Spontis nicht besonders gut zu sprechen. Die
Spontis waren dafür auf die damals sehr jungen Antiimps nicht
gut zu sprechen und die Freizeit auf die Blattler - die Redaktion
ist immer wahlweise besetzt worden und dann hat man diskutiert,
ansonsten habe ich natürlich viel mitgekriegt. ...
Die Angehörigengruppe hat sich immer getroffen, da waren ja
auch Geschwister von anderen dabei. Die Politisierungsdemo war ja
ein halbes Jahr vorher, der 4.4.81, wo die Polizei mit 200 Zivis
die jungen Leute eingekesselt haben und erstmal sitzen gelassen
haben.
Als Andrea und Tom dann im Knast waren, hatte ich sehr viel mit
Lilo zu tun. In dieser Zeit gab es auch eine Kundgebung vor dem
Knast in Landsberg, wo Tom saß. ... Es waren beide ungefähr
gleich lang drinnen, ungefähr sechs Monate, er ist dann noch
mal nach Laufen verlegt worden, die Prozesse sind ja auch unterschiedlich
verlaufen, worüber Tom ja nie geredet hat. Tom hat dadrüber
nie geredet, ihm ging es auch nicht gut, als er aus dem Knast kam.
Wolfi war knapp über zwei, Anatol knappe drei Jahre, weil beide
die ältesten waren und deshalb Rädelsführerschaft
bekommen haben. Und der Anatol hat auch den einzigen Molli eingeräumt,
weil da der Knallhart dabei war und es der einzigste Molli war,
der in der Anklage stand, sonst standen keine drin.
|
|