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Briefwechsel
mit Christian Klar,
Gefangener aus der RAF zur
Broschüre 1.5.94 ...Neulich habe ich das Kein Friede- Heft bekommen. Nach dem ersten Teil Lesen, die Klaus Steinmetz Geschichte, bin ich schon froh gewesen, nach langem wieder einmal mitzubekommen, wie in der Linken doch noch guter Verstand lebt. Oder sich wieder entwickelt. Man hofft das immer wieder, aber es auch zu sehen, daran teilhaben zu können, ist durch die Knastmauern nicht so einfach. Der zweite Teil ist natürlich perspektivisch noch wichtiger. Die Kritik der informellen Strukturen und auf solche abzuheben, die da dringend eingefordert werden - das überzeugt, ich denke das hebt die Organisationsdiskussion, die schon länger existiert, auf eine politische Ebene. Das Teil
ist wirklich nicht eins zum nur einmal durchlesen. Christian Antwort von Andrea, 20.5.94 ... so
sehr mich gefreut hat, daß du geantwortet hast, so sehr fehlte mir
allerdings, was du eigentlich zu meinem Brief denkst. Allerdings
gibt es für mich die Erfahrung, daß das Richtige zu sehen,
zu wissen und auch formulieren zu können noch lange nicht heißt,
das auch selbst umsetzen zu können. Daß
die laufende Diskussion dies Niveau nicht hat, zeigt aber doch etwas von
dem Unvermögen derjenigen, die es entwickeln können, so zu handeln,
wie man richtig erkennt, und sich dort zu verankern. Dieser Widerspruch
muß doch irgendwie bewußt sein und zum Ausdruck kommen. Aber
nein, nix. Die Broschüre kannst du danach mit der Lupe absuchen. Das wiederum erinnert schwer an die DDR. Der neue Mensch, die neue Gesellschaft wurde z.B. nicht mehr als angestrebtes Ziel behandelt, sondern es wurde so getan, als sei das längst Wirklichkeit. So war auch die Propaganda. Ständig belogen und betrogen worden zu sein, denn die Leute haben das natürlich gemerkt, das wurde der DDR-Regierung am meisten übel genommen. Dieses Sieg-Lügen, das auch in unseren Prozeß Einzug genommen hat, ruft natürlich Weigerung hervor. Die Wurzel
ist identisch: die Koordinaten des Marxismus, bzw. ihre Umsetzung seit
der sogenannten industriellen Revolution. Während das Kapital längst
in das High-Tech-Zeitalter gejumpt ist, halten wir an der Romantik der
Arbeiterbewegung, wenn auch der modernisierten, fest. Obwohl es eigentlich
wir sind, die die Möglichkeiten und auch das Wissen für die
Rettung der Menschheit haben, während das Kapital nur zum endgültigen
Exodus, der Zerstörung führen kann... Das habe ich in der ganzen Steinmetz-Geschichte so erfahren. Die Bullen behaupten mittlerweile, ich sei seine Ex-Freundin, wogegen ich aber über meine Anwältin eine Widerrufsklage gemacht habe. Letzte
Woche war Hausdurchsuchung bei uns. Vorgegeben haben sie, nach einem gefälschten
Kaufvertrag zu suchen, der für ein Motorrad ausgestellt war, das
ehemals Steinmetz gehörte und das die Bullen abgeschleppt hatten.
Ich versuchte, das Motorrad unter Vorlage der Papiere zurückzukriegen,
ohne Erfolg allerdings. Auf jeden Fall mußte ich nach Bad Kleinen völlig in die eigenen Tiefen hinuntersteigen, von Selbstvorwürfen mal ganz zu schweigen. Das sind Momente, da erreichen dich Allgemeingültigkeiten und Richtigkeiten nicht, auch nicht die, wenn auch berechtigten Forderungen nach einem Begriff von dir selbst. Da geht es ums nackte Überleben. Andrea |
machwerk, frankfurt (2000)