Zum
Stand der Arbeit der Internationalen Unabhängigen Untersuchungskommission
Aus dem Rundbrief 1-1999 vom Februar 1999
Der Auftrag
an die Kommission wurde folgendermaßen skizziert:
Zweifelsohne hat Andrea Wolf die Entscheidung für die aktive Teilnahme
an dem bewaffneten Kampf der PKK freiwillig und in dem Wissen um die Gefahren
getroffen. Aber auch für Guerilla-Kämpferinnen müssen internationale
Rechtsstandards gelten.
Die in den Fernseh- und Zeitungsberichten erwähnten Zeugenaussagen
sprechen von einer extralegalen Hinrichtung nach ihrer Gefangennahme.
Dies ist unter Umständen ein Verstoß gegen die Genfer Konvention
bzw. gegen das Völkerrecht und anscheinend eine weitverbreitete Praxis
des türkischen Militärs im Umgang mit der kurdischen Guerilla.
Sollten sich diese Berichte bestätigen, müssen die Verantwortlichen
zur Rechenschaft gezogen werden. Möglicherweise handelt es sich um
keinen Einzelfall. Dann stellt sich die Frage nach der generellen Behandlung
von Gefangenen in diesem Krieg. Die Türkei müßte gegebenenfalls
damit konfrontiert werden.
Darüber
hinaus muß man fragen, inwiefern andere Regierungen - nicht zuletzt
die deutsche - ihre Augen zugedrückt haben im Umgang mit der türkischen
Regierung als Nato-Partner, potentielles EU-Mitglied und geschätzter
Adressat für Waffenlieferungen.
Damit politische Aktivitäten entfaltet werden können, ist es
zuallererst notwendig, die genauen Todesumstände von Andrea Wolf
und ihrer Mitkämpferinnen aufzuklären. Zudem müssen Informationen
über vergleichbare Fälle gesammelt werden, um die Behauptung
zu stützen, in der Türkei werden systematisch gefangene PKK-Guerilla
hingerichtet.
Diese
Überlegungen und Forderungen des Initiativkreises bilden die Grundlagen
für unsere Tätigkeit im Rahmen der Internationalen Unabhängigen
Untersuchungskommission. Dazu möchten wir feststellen, daß
wir die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der türkischen
Armee und der PKK als Krieg betrachten - entgegen der bislang von türkischer
Seite eingenommenen Haltung.
Darüber hinaus sehen wir unsere Aufgabe nicht darin, eine politisches
Urteil über diesen Krieg zu fällen. Vielmehr gilt unser Augenmerk
den Fragen von Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen und sich evtl. daraus
ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Dazu benötigen wir freilich
jede erdenkliche politische Unterstützung. Denn ohne die entsprechende
Öffentlichkeit wird es wohl kaum möglich sein, die tatsächlichen
Geschehnisse aufzudecken.
Der Untersuchungskommission gehören bisher drei Personen an:
Angelika
Lex, Rechtsanwältin:
Durch ihren Beruf als Rechtsanwältin ist sie seit fast zehn Jahren
mit der juristischen Aufarbeitung der Verfolgung von Kurdinnen und Kurden
in der Türkei und der BRD beschäftigt. Besonders seit dem PKK-Verbot
1993 bemüht sie sich, juristisch die Verfolgung von KurdInnen zu
bekämpfen, die den Versuch unternehmen, sich auch in Deutschland
für die Interessen eines unabhängigen Kurdistan einzusetzen.
Sie war Verteidigerin im Prozeß gegen die Besetzer des Türkischen
Konsulats 1994 und gegen die BesetzerInnen des Kurdischen Elternvereins
in München 1995 sowie in einem § 129a-Verfahren gegen einen
kurdischen Politiker.
Daneben ist sie in Asylverfahren für kurdische Flüchtlinge tätig.
Aus dieser Geschichte heraus war sie bereit, die Unabhängige Untersuchungskommission
zum Tode von Andrea Wolf in ihrer Kanzlei anzusiedeln und die Arbeit zu
unterstützen.
Die Mutter von Andrea Wolf, Lilo Wolf, hat sie mandatiert, alle juristischen
Schritte zur Aufklärung der Todesumstände ihrer Tochter zu ergreifen.
Inga
Rogg, Ethnologin und freie Journalistin:
Seit über zehn Jahren befasst sie sich mit den Entwicklungen und
Konflikten in den kurdischen Regionen. Sie hat zahlreiche Reisen nach
Kurdistan unternommen und war mehrere Jahre in Irakisch-Kurdistan tätig.
Dabei hat sie zu den Auswirkungen der Baath-Herrschaft auf die kurdische
Gesellschaft
und dem Anfal getauften Plan zur Vernichtung der Kurden geforscht. Ihr
besonderes Interesse gilt der Beteiligung von Frauen an den kurdischen
Widerstandsbewegungen.
Neben Beiträgen in Fachpublikationen zur Geschichte und Kultur des
Nahen Ostens hat sie zahlreiche Artikel zu den Folgen von Krieg und Vertreibung
veröffentlicht. Sie berichtet regelmäßig für verschiedene
Tages- und Wochenzeitungen.
Oskar
Schmid, EDV-Berater:
Er war mehrere Jahre Referent für Menschenrechte beim Ökumenischen
Büro für Frieden und Gerechtigkeit in München. Die Arbeit
war auf die Länder Mittel- und Südamerikas beschränkt.
Die Militärdiktaturen Südamerikas, die Freiheitskämpfe
der FMLN in El Salvador und der URNG in Guatemala, der Contra-Krieg in
Nicaragua sowie der Übergang von Militärregierungen zu sogenannten
demokratischen Regierungen in anderen Ländern der Region boten mancherlei
Gelegenheit, sich mit den Menschenrechten im allgemeinen und der Behandlung
von Kriegsgefangenen oder gefangenen Terroristen - je nach Sichtweise
- auseinanderzusetzen.
Dabei konnte er auch Erfahrungen mit der Arbeit von Untersuchungskommissionen
sammeln. Erwähnt seien hier die Untersuchungskommission des Ökumenischen
Büros zur Aufklärung der Ermordung von Jürg Weiss durch
das salvadorianische Militär 1988 und die 200-köpfige internationale
Untersuchungskommission, die im Februar 1998 in Mexiko das Massaker von
Acteál untersuchte.
Wir haben
den Auftrag angenommen, weil wir der Meinung sind, daß es im Krieg
zwischen der türkischen Armee und der PKK zu schweren Menschenrechtsverletzungen
kommt, denen unseres Erachtens viel zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Um unsere Tätigkeit zu erleichtern, haben wir mit verschiedenen Menschenrechtsorganisationen,
den Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz
Kontakt aufgenommen.
Ende des Zitats aus dem Rundbrief 1-1999
Die drei
Arbeitsbereiche derIUK:
Um die
Todesumstände von Andrea Wolf und ihrer Mitkäm-pferInnen anhand
von nachprüfbaren Fakten zu rekonstruieren, hat sich die IUK die
Arbeit in folgende Bereiche aufgeteilt:
- Informationen
von Seiten der PKK / ARGK:
Infomationen
über das Gefecht
Auswertung der Zeugenaussagen der überlebenden Zeugen des Gefechts
bzw. der nachfolgenden Hinrichtung der entwaffneten und kampfunfähigen
Gefangenen
- Informationen von Seiten der türkischen Sicherheitsbehörden:
Über
türkische Anwälte sollen die vorhandenen Informationen über
Ort und Zeitpunkt des betreffenden Gefechts, sowie auch die Verantwortlichen
Kommandanten vor Ort bzw. die übergeordneten Verantwortlichen eruiert
werden. Vom Ergebnis dieser Recherchen hängt es ab, ob ein Verfahren
gegen die Verantwortlichen vor einem türkischen Gericht oder eine
Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in
Strassburg angestrengt wird.
- Zusammenarbeit
zwischen den deutschen und den türkischen Sicherheitsbehörden
im Fall Andrea Wolf:
Werden
der deutschen Öffentlichkeit relevante Informationen über die
Todesumstände von Andrea Wolf aufgrund "übergeordneter"
staatlicher Interessen vorenthalten?
Aus den
Antworten von zwei Kleinen Anfragen der PDS im Bundestag einmal direkt
zum Tode von Andrea Wolf (beantwortet am 10.12.98 durch das Auswärtige
Amt) und einige Monate später zu der Frage der Zusammenarbeit der
deutschen und der türkischen Sicherheitsbehörde (beantwortet
am 31.3.99 durch das Bundeministerium des Innern) ergibt sich ein interessanter
Widerspruch: Das Außenministerium will vom Tode Andrea Wolfs aus
der Zeitung erfahren haben und auch bei einer erneuten Nachfrage Mitte
März keine neuen Erkenntnisse gehabt haben; das Innenministerium
gibt aber in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage zu, einen regelmässigen
Informationsaustausch mit den türkischen Sicherheitsbehörden
zu pflegen. Die Rede war von einem Treffen bereits im November 1998, bei
dem "...die Tötung einer deutschen Staatsangehörigen im
Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften
und der PKK im Vordergrund stand..."
Bei der
Arbeit an diesen drei Themenkomplexen verbietet sich aus naheliegenden
Gründen jede Information der Öffentlichkeit über den Fortschritt
der Arbeit z.B. in Form von Zwischenberichten. Ergebnisse können
- wenn überhaupt - nur unter Wahrung von Vertraulichkeit und Diskretion
zustande kommen. Daher kann die Kommission erst an die Öffentlichkeit
treten, wenn ein oder mehrere Bereiche ausrecherchiert sind. Das kann
Monate oder Jahre dauern. Den Mitgliedern der Kommission war das von Anfang
an bewusst.
Wir möchten an dieser Stelle allen Unterstützerinnen und Unterstützern
herzlich für das uns entgegengebrachte Vertrauen danken und sie bitten,
unsere Arbeit auch weiterhin zu unterstützen.
Es gibt zahlreiche Beispiele von vergleichbaren Fällen, in denen
es viele Jahre gedauert hat, bevor die Verantwortlichen zur Rechenschaft
bezogen werden konnten. Wir wissen, daß wir nicht die einzigen sind,
die mit dieser Art von Arbeit den Verantwortlichen für Folterungen
und Morde zu verstehen geben, daß sie niemals - auch nach Jahren
und Jahrzehnten - sicher sein können, nicht unversehens für
längst vergessen geglaubte Verbrechen zur Verantwortung gezogen zu
werden. Denn für Verbrechen gegen die Menschheit gibt es keine Verjährung
und nationale Amnestien sind oft nicht international anerkannt.
Aus Lateinamerika
kommt die Parole "ni perdón ni olvido": Kein Verzeihen,
kein Vergessen !
Kontakt:
Koordinationsbüro München c/o RAin Angelika Lex
Landwehrstr. 55, 80336 München
eMail: iuk-andrea.wolf@brd.de
Spendenkonto:
Angelika Lex, Rechtsanwalts-Anderkonto
KNr: 327271 (BLZ: 70169464)
Stichwort: IUK Andrea Wolf
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