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Ronahî
bedeutet Licht
Kurz nachdem wir Europa verlassen hatten, spitzte sich die Situation für Andrea zu. Sie zog es vor, zu einer Zeugenvorladung nicht zu erscheinen, um die Entwicklungen erst einmal aus sicher Entfernung zu beobachten und die Lage dann neu zu bewerten. Als ein Genosse von ihr dann an der Grenze mit mehreren Briefen von ihr festgenommen wurde, die Briefe beschlagnahmt wurden, leitete der Staatsschutz ein neues 129a-Ermittlungsverfahren gegen sie ein. Angeblich wolle sie sich bei der PKK "an Waffen ausbilden lassen, um dann in der BRD eine neue terroristische Vereinigung als Nachfolgeorganisation der RAF nach dem Vorbild der PKK aufzubauen. Andrea hat in vielen Briefen deutlich gemacht, daß es ihr um ganz andere Ziele ging, als sich an ein paar Waffen ausbilden zu lassen. Die 129a Verfahren wurden später, als wir aus Kurdistan zurückkehrten, auch auf uns ausgeweitet. Bis heute wurden sie nicht eingestellt. Andrea hatte sich
entschlossen, nach Kurdistan zu gehen, mußte aber noch bis Ende
'96 in der Illegalität warten, bis die Voraussetzungen dafür
geschaffen waren. Mit dem Anschluß an die PKK nannte sich Andrea Ronahî, kurdisch = Licht. Es ist bei der PKK üblich, einen Kampfnamen anzunehmen, einerseits als Codenamen, andererseits aber auch, um der Entscheidung Ausdruck zu verleihen, ein neues Leben zu beginnen, in dem mensch bereit ist alte Strukturen zu überwinden, und wie in der PKK gesagt wird, eine militante Persönlichkeit im Sinne des PKK-Statuts zu werden. Andrea verbrachte
einige Zeit in der zentralen Parteischule der PKK, wo sie auch die Gelegenheit
hatte, den Vorsitzenden Abdullah Öcalan kennenzulernen und mit ihm
zu diskutieren. Der Vorsitzende schätzte Andrea sehr und war davon
überzeugt, daß sie beim Neuaufbau revolutionärer Strukturen
in Europa eine wichtige Rolle spielen könnte. Es war ihm daher wichtig,
daß sie sich nicht unnötig in Gefahren begab. Ronahî schrieb auch in Kurdistan viel, wie sie es ihr ganzes Leben lang getan hatte. Sie wollte auf diesem Weg den Kontakt zu Europa halten und andere von ihren Erfahrungen profitieren lassen. Der erste Teil ihres Tagebuches von April bis August 1997 erreichte uns. Danach kamen noch einige Briefe. Wir vermuten, daß Andreas Sachen dem Feind in die Hände gefallen sind und sich auch weitere Tagebücher und Aufzeichnungen darunter befanden. |
machwerk, frankfurt (2000)