Seite
153
|
Andrea
hat anders gelebt, und ist anders gestorben
Rede von Kein Friede, München 14.11.1998
In diesen Tagen gibt es kaum gute Nachrichten aus Kurdistan. Die schlimmste, die uns traf war die, daß unsere Genossin Andrea bei Van ermordet wurde. Zusammen mit anderen Frauen und Männern der kurdischen Befreiungsarmee war sie den türkischen Militärs in die Hände gefallen und ermordet worden. Andrea wurde hingerichtet, weil sie nicht verraten hat. Als uns die Nachrichten erreichten, wußten wir sofort, daß es so war. Sie war so. Nichts hat sie so sehr gehaßt wie den Verrat und die Zusammenarbeit mit unseren Feinden. Kaum etwas war für Andrea so undenkbar wie die Kollaboration mit denen, die für das Leid und Elend von so vielen verantwortlich sind. In Kurdistan wie in Deutschland, oder sonstwo auf der Welt. Und doch hat auch nichts sie so sehr verfolgt wie der Verrat. Hier in München, wo sie anfing, als sie als 16jährige wegen den Aktionen der Freizeit 81 das erste Mal verhaftet wurde. Auch die Gründe ihres Abtauchens 1995 liegen im Verrat - dem von Bad Kleinen. Das ihr
angehängte Verfahren wegen Beteiligung an der RAF-Aktion in Weiterstadt
- alles hängt damit zusammen. An viele
Ereignisse, gemeinsame Aktionen, Lachen und Weinen, an hitzige Streits
und hoffnungsfrohe Diskussionen haben wir uns die letzten Tage erinnert.
Dann ist Andrea wieder ganz nah, als wäre es grad erst gewesen. Kaum
in Worte zu fassen, die Freude die wir zusammen hatten und die Traurigkeit
der Trennung von der Gruppe Kein Friede. Das waren intensivste Jahre,
schwierig und wichtig für uns alle. Wir wollten
uns nicht abfinden mit dem Rückgang der Kämpfe und dem Abflauen
der Rebellionen. Wir waren uneinsichtig. Wir konnten nicht einsehen, daß,
wo es für die Menschen nicht besser geworden ist, wo sich Elend und
Unterdrückung nur vertausendfacht hat, Widerstand nicht mehr angesagt
sein soll. Wir können das auch heute noch nicht einsehen. Mit Andrea
haben wir gesagt, daß wir diesen Verhältnissen den Krieg ansagen
müssen. Daran hat sich nichts geändert. Andrea
starb, wie auf den Gleisen von Bad Kleinen, Wolfgang Grams starb. Da ist
die Verbindung wieder geschlossen. Da ist Deutschland, da ist Kurdistan
- Bad Kleinen im Großen. IN DEN
BERGEN KURDISTANS, IM DSCHUNGEL DER STÄDTE, GEMEINSAM UM BEFREIUNG
KÄMPFEN! |
machwerk, frankfurt (2000)