Leben und Kampf von Andrea Wolf
Seiten 42-43
Unsere Kriegserklärung ist eine doppelt und dreifache...


Andrea kam mit einer Freundin aus München. Später kam auch Danae. Sie lebten in verschiedenen WG's und Andrea und Danae nahmen sich später eine Wohnung in Offenbach.

Ohne Revolution keine Frauenbefreiung, ohne Frauenbefreiung keine Revolution!

Sie organisierten sich mit einigen Frauen. Eine der ersten öffentlichen Aktionen war die Besetzung eines Hauses in der Basaltstraße in Frankfurt- Bockenheim, im Juni 1987.
Aus dem Flugblatt zur Besetzung:


„STRATEGIEN GEGEN HERRSCHAFTSARCHITEKTUREN UND BEVÖLKERUNGSKONTROLLE;
Hiermit erklären wir als Kämpferinnen für die Freiheit, daß wir unsere Angelegenheiten selbst regeln wollen und dazu nur die Freiheit nötig haben!
Uns dieses Haus zu nehmen, das uns zum Leben, und vielen anderen Frauen als Treffpunkt und Kommunikationsmöglichkeit dienen soll, ist für uns ein Versuch unseren Widerstand gegen das Herrschaftssystem zu organisieren und unsere Utopien von einem befreiten Leben wenigstens ein Stück weit zu verwirklichen.
An die Herren dieser Welt:
Macht uns nicht weis, daß wir euch gleich sind
wir scheißen auf eure Gleichheit,
auf gleichen Lohn für eure Drecksarbeit;
gleiches Recht auf eure Lügenparagraphen;
gleiche Behandlung in euren Knästen;
gleiche Ausbildung für eure Verbildung;


Demonstration nach der Räumung

gleichen Anspruch aufs Leiden in der Ehe
Wir wollen weder gleichberechtigt mit anderen Menschen unterdrückt werden, noch gleichberechtigt über andere Menschen herrschen.
Wir wollen nicht ein Teil der Machtstrukturen werden, wir wollen diese Machtstrukturen brechen!!! JAWOLL!!
UNSERE KRIEGSERKLÄRUNG IST EINE DOPPELT- UND DREIFACHE!!!


Solidaritätsaktion mit den gefangenen Frauen in Berlin

Das Haus wurde noch in der Nacht brutal geräumt. An der Besetzung hatten zur Unterstützung auch Männer teilgenommen, allerdings war das Einbeziehen von Männern immer eine strittige Frage. Andrea vertrat die Meinung, daß Frauenorganisierung auch gemeinsam mit Männern kämpfen müsse um wirklich revolutionäre Durchsetzungsfähigkeit zu erhalten, allerdings nicht in der Form über patriarchale Strukturen hinwegzusehen, sondern in der ständigen Auseinandersetzung.

In diesem Jahr sind Andrea und Danae mit ihrer Energie und Entschlossenheit aufgefallen. Schon wenige Wochen nach der Besetzung begann im Berliner Frauenknast Plötzensee ein unbefristeter Hungerstreik von acht Frauen. Er richtete sich gegen die Spaltung und Identitätszerstörung der Gefangenen im „modernen“ Wohngruppen-, und Behandlungsvollzug. Diesem Vollzug lag ein sogenanntes 24- Punkte Haftstatut zugrunde, das für kooperative Gefangene Hafterleichterungen ermöglicht, aber bei Fehlverhalten auch die ganze Gruppe bestraft. Auch war die Zusammensetzung der Wohngruppen nicht zufällig, sondern wurde nach gezielten psychologischen Aspekten durchgeführt. So sollte eine gegenseitige Kontrolle und Denunziation der Gefangenen erreicht werden. Die Erkenntnisse die diesem Programm zugrunde lagen, stammten zu einem großen Teil aus Beobachtungen in den Knästen mit politischen Gefangenen, auch in anderen Ländern.
Dieser Streik rief eine große Resonanz hervor, weil er verschiedene Themen verband. Es ging um die Aufhebung der Spaltung zwischen den Gefangenen nach dem Betäubungsmittelgesetz, den sozialen Gefangenen und den politischen Gefangenen, aber auch gegen die Zwangsarbeit im Knast für irgendwelche Fluggesellschaften oder Großkonzerne für Pfennig-Beträge.
In Frankfurt gab es einige Solidaritätsaktionen, um den Streik der Frauen bekannt zu machen und sie darin zu unterstützen. Auch an diesen Aktivitäten waren Andrea und Danae maßgeblich beteiligt.
Nur fünf Tage nach dem Beginn des Hungerstreiks verübte die ROTE ZORA in einer Nacht in verschiedenen Städten acht Brandanschläge bei Filialen des Bekleidungskonzerns ADLER. Die Aktion sollte die streikenden Arbeiterinnen in Südkorea unterstützen, die für mehr Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und gegen sexuelle Ausbeutung kämpften.
Im Zusammenspiel von Streik, militanter Aktion und öffentlichen Protestaktionen vor den Filialen mußte ADLER schließlich einen Teil der Forderungen erfüllen. Dies war ein Beispiel für die Möglichkeit international übergreifender Kämpfe.
Dies sind nun einige Beispiele derAktivitäten von Andrea in Frankfurt bis zu ihrer Verhaftung im September 1987.

Erinnerung (V)

Andrea und die Mathematik

: Aber Andrea hat immer gut gerechnet, so wie ich sie kennengelernt habe, war ihr vollkommen klar, wenn sie das machen will, was sie wirklich machen will, dann muß sie tierisch gut rechnen können, denn du mußt ja irgendwie mit deinem wenigen Geld umgehen können. Dafür habe ich sie immer bewundert, weil sie da ein außerordentliches Selbstwertgefühl drin hatte, in Kneipen oder Zusammenhängen zu stehen ohne Kohle. Das hatte so eine stolze Komponente bei ihr.

: Sie hat es zum Beispiel auch eine Zeitlang geschafft, obwohl sie nicht viel hatte, zwei Leute mit der gleichen Kohle durchzubringen.
Aber man muß es wirklich sagen, Andrea war ein Mathematikgenie, sie hätte eigentlich, wenn sie das für wichtig befunden hätte, auf diesem Gebiet tatsächlich Karriere machen können. Sie hat auch schulmäßig an Wettbewerben teilgenommen, ab und zu haben wir dann so Mathematikaufgaben aus der Zeitung rausgesucht. Dann konnte sie sich da zwei Tage drüberhängen und versuchen, das rauszuknobeln - in dieser höheren, abstrakten Mathematik war sie einfach super. Ich denke schon, das ist wichtig, weil es auch eine bestimmte Herangehensweise an Sachen ist. Es heißt ja oft im Verhältnis zu Frauen, Frauen könnten nicht logisch denken, das war für sie etwas absolut Absurdes, da hätte sie tausend Typen überflügelt. Sätze wie „ Frauen können das nicht“ haben sie furchtbar aufgeregt, weil das Quatsch ist.

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machwerk, frankfurt (2000)