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Am
Anfang war es uns eine Frage,
ob das Ganze länger als drei Monate besteht 3 ½ Jahre Antifaschistisches/antirassistisches Notruf- und Infotelefon (24.10.1991 - 26.2.1995) Auszüge dem Gründungspapier: Einschätzung
der Situation/Entwicklung: Lieber
wir kriegen auf die Fresse als die ausländischen Leute das
ist eine moralische Positon - sie geht von einer Verantwortung aus, die
wir in dieser Situation haben. Notwendig ist der Aufbau einer radikalen,
an die Wurzeln gehenden revolutionä-ren Bewegung, gegen institutionellen
und Straßenrassismus.... Viel
guter Wille, spontanes Engagement reicht nicht; das hebt die Vereinzelung,
Unklarheit von Initiativen, Unverbindlichkeit von Plenas etc. nicht auf.
Es braucht Anstrengung, die unmittelbare Notwendigkeit von antirassistischer
Propaganda und Tat, materieller Hilfe und Schutz mit dem Aufbau einer
politischen und organisatorischen Basisstruktur zu verbinden. Dadurch
können die unmittelbaren Notwendigkeiten auch wirksamer angegangen
werden. Dieses waren die Anfänge des antirassistischen Notruf- und Infotelefons und der Stadtteilgruppen. Das Notruftelefon war Alarm- und Infotelefon bei rassistischen Überfällen und Fascho-aufläufen. Es war für Flüchtlinge, Immigrant/innen, Antirassist/innen eine Möglichkeit, das radikale Spektrum zu informieren und zu alarmieren. Darin bestand die unmittelbare Verbindung zu den Stadtteilgruppen: sie konnten dort anrufen und Vorgänge melden; umgekehrt konnten sie alarmiert werden. Hoyerswerda ist der bisher spektakulärste Ausdruck einer seit 1974 in Gang gesetzten und geschürten Entwicklung. Vom Anwerbestopp und dem Wiedereinreiseverbot von 500.000 ArbeitsmigrantInnen 1974...über die Abschiebeaktionen Lummers 1981, die Einschränkung der Asylgründe durch deutsche Gerichte, Angriffe auf Flüchtlingsheime Ende der 70iger Jahre, bis zu den Angriffen heute. Das Ganze hat eine Entwicklung losgetreten, die nicht so schnell vorbei sein wird. Die Rassisten und Faschisten haben Mut gefaßt: auf den Strassen, an den Stammtischen, in den Fabriken und Büros, in den Behörden und Ministerien. Von der materiellen Auswirkung, Durchschlagskraft und methodischen Perfidie ist der institutionelle Rassismus der relevanteste. Jede staatliche Maßnahme gegen Flüchtlinge, jede Diskriminierung gegen ImmigrantInnen auf der Arbeit, bei der Wohnungssuche, auf Behörden, durch die Bullen legitimiert den Strassenterror und alltäglichen Rassismus... Deswegen: Es ist unsere Existenz und Zukunft, die aller Menschen. Ja klar, insbesondere für uns in Deutschland ist antirassistischer Kampf eine Frage der grundsätzlichen politischen Existenz. Ohne hier, jetzt in dieser Situation, eine eindeutige Haltung und Praxis zu finden, werden Diskussionen, Pläne und Träume revolutionärer Politik belanglos bleiben. Mit diesem
ARBO-Papier (antirassistische/antifaschistische Basisorganisierung), an
dem Andrea mitgearbeitet hat, fing alles an. Naja ganz so einfach war
es nicht, aber wir versuchten uns daran zu orientieren. Es gab am Anfang
10 Stadtteilgruppen, das Telefon konnte so besetzt werden, wie es auch
der Vorstellung entsprach, die ganze Woche von 17:00 Uhr bis morgens um
7:00 Uhr und am Wochenende rund um die Uhr. Wir
vom antirassistischen Notruftelefon haben gestern zusammen mit anderen
Organisationen und Gruppen aus der Umgebung eine Demo in Lampertheim gemacht.
Dort sind in der Nacht zuvor drei Menschen bei einem faschistischen Überfall
in ihrer Wohnung ermordet worden. Das Flüchtlingsheim ist total ausgebrannt
gewesen. Die Medien und die Bullen verzögerten jede klare Aussage.
Ein Feuerwehrmann gab uns jedoch Auskunft. Wir gehen sicher davon aus,
daß es ein Überfall war. Dafür sprechen die Hetzparolen
an der Hauswand, der Benzingeruch im Haus und die Tatsache, daß
das Feuer in der Nähe des Hintereinganges über das Treppenhaus
kam. Wir hatten nur 24 Stunden Zeit für die Mobilisierung, es waren
trotzdem viele Leute gekommen, aber es war so hilflos, vor diesem ausgebrannten
Haus zu stehen und zu wissen, wir sind zu spät (aus dem
Tagesprotokoll der Telefonschicht) 22.11.91: die Wahlkampfveranstaltung der NPD in Frankfurt wurde durch die Alarmketten der Stadtteilstruktur verhindert. 22.8.92: Das Notruftelefon übernimmt die Mobilisierung und Koordination gegen die faschistischen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen. Dort belagerten deutsche Bürger und Faschisten wochenlang das Stadtviertel, um ausländische Menschen zu vertreiben. 1993: Der Artikel 16 des Grundgesetzes auf Asyl wurde abgeschafft. Gegen die rassistische Politik mobilisierten wir nach Bonn. Oktober 1993: Zwei Jahre Telefon. Auf einer Veranstaltung stellten wir unsere Arbeit vor, machten eine Einschätzung unserer bisherigen Arbeit und erweiterten uns, weil einige Gruppen sich anschlossen. Bis dahin
hatte sich das Telefon zu einer stabilen, wie auch wichtigen und ernstzunehmenden
Instanz entwickelt. Oft war es nicht einfach, die 120 Menschen zu koordinieren,
die sich am Telefon organisiert hatten. Aber,
wie so oft, gewöhnten sich viele an die reaktionären Veränderungen
und unsere Struktur begann aufzuweichen. Es kamen nicht mehr alle auf
die Vollversammlungen, es fielen des öfteren Schichten aus und wir
mobilisierten auch nicht mehr nach draußen, durch Plakataktionen,
Flugblätter etc. 1995: Am 29.1.1995 beschließt die letzte Vollversammlung, die Telefonstruktur aufzulösen und das Telefon zu schließen. Ende Februar wurde die Arbeit eingestellt.
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machwerk, frankfurt (2000)